Der Künstler, Theologe und Philosoph Thomas Lehnerer ist am 19. März 1995 im Alter von 39 Jahren gestorben. Sein Werk zu würdigen, haben wir in Zusammenarbeit mit dem Archiv Thomas Lehnerer München eine Ausstellung mit Zeichnungen und Skulpturen im Diözesanmuseum Freising erarbeitet. Es sind der Öffentlichkeit meist unbekannte Arbeiten, die Münchner Sammler für diese Schau großzügig zur Verfügung gestellt haben.
Thomas Lehnerer hat das neue Interesse der Kunstszene am Religiösen vorweggenommen: in seiner - oft provokanten - Auseinandersetzung mit biblischer Erzählung, christlichen Symbolen und theologischen Diskursen, mit seinen Themen von Armut, Leiden, Sterben und Tod. Darüber hat man manchmal den ästhetischen Zauber seiner Arbeiten übersehen, ihren Humor, ihre Ironie und Distanz gegenüber der Welt. Wie oft erfinden sie Bilder für Liebe, Wunder, Freiheit, Glück!
Thomas Lehnerers Zeichnungen - Visionen des Unbewussten, in Aquarell mit Tee, Bleistift und Regen, Kaffee und Kugelschreiber - zeigen meist fragile Gestalten, wie verloren oder ineinander verschlungen, in angedeuteten Landschaften oder merkwürdigen Behausungen, manchmal im Gespräch mit dem Tier: Facetten eines gelebten und geträumten Lebens. Seine Figuren sind aus Bronze, selten aus Wachs, Ton und Plastilin, oft handgroß nur, die Fingerabdrücke und Spuren des Entstehungsprozesses auf der Haut tragend, asketisch weltentrückt, wie "Idole", "Wegbegleiter", "Denkfiguren", manchmal inszeniert als Versammlung im Dialog mit Figuren fremder Kulturen.
"Ethik ins Werk", Thomas Lehnerers Maxime, ist von neuer Aktualität. Die Ausstellung zeigt, wie es seinen Arbeiten um die "zutiefst existentiellen, menschlichen" Fragen geht und wie die Suche nach "einem neuen geistigen Prinzip in der Kunst" geglückt ist.
Petra Giloy-Hirtz